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Edition Winterthur

Stadtführer Winterthur:
Aus der Geschichte der Stadt.

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  • Aus der Geschichte Winterthurs


    Römische Siedlung Vitudurum.
    Die Wiege der Stadt Winterthur liegt in Oberwinterthur. Dort entstand im ersten Jahrhundert n. Chr. mit Vitudurum eine römische Siedlung entlang der Strasse von Vindonissa (Windisch bei Brugg) nach Arbor Felix (Arbon). Diese Strasse verlief ziemlich genau unter der heutigen Römerstrasse. Die Bewohnerinnen und Bewohner waren vor allem Kleinbauern, Handwerker und Gewerbetreibende. Bis heute ist Oberwinterthur denn auch ein wichtiger Ort für archäologische Forschungen; im Zusammenhang mit Bauvorhaben kommt es immer wieder zu Rettungsgrabungen. Auf römische Spuren aus dem Frühmittelalter stiess man auch in der Altstadt. So wurde ein frühmittelalterliches Gräberfeld entdeckt und die Ursprünge der Stadtkirche lassen sich bis auf eine Holzkirche aus dem siebten oder achten Jahrhundert zurückverfolgen.

    Von den Kyburgern zu den Habsburgern.
    In der Folge begann sich Niederwinterthur auf dem Gebiet der heutigen Altstadt zu entwickeln, tatkräftig unterstützt und gefördert durch die Grafen von Kyburg, die ab Mitte des 12. Jahrhunderts das Sagen in der Stadt hatten. Die gute Verkehrslage zog Handwerker und Handelsleute an und 1180 wurde die junge Stadtgemeinde als eigene Pfarrei von Oberwinterthur abgetrennt. Nach dem Aussterben der Kyburger 1264 ging die Stadt in den Besitz von Rudolf von Habsburg über. Am 22. Juni 1264 sicherte dieser Winterthur in einer Urkunde das Stadtrecht und verbriefte damit den Bewohnerinnen und Bewohnern die wichtigsten Freiheitsrechte; unter anderem das Marktrecht, eine gewisse Selbstverwaltung oder die Nutzung des Eschenbergwalds. Als sich dann allerdings der Wirkungskreis der Habsburger nach Österreich verlagerte, schwand die Bedeutung Winterthurs. Die Stadt wurde vorübergehend mehrmals verpfändet, gleichzeitig aber als Stützpunkt gegen die wachsende Eidgenossenschaft ausgebaut. 1460 widerstand die Stadt erfolgreich einer eidgenössischen Belagerung, sah sich aber in der Folge von «feindlichen» Eidgenossen umschlossen.

    Zürcher Untertanenstadt.
    1467 wurde Winterthur an Zürich verpfändet und blieb in der Folge während Jahrhunderten Untertanenstadt der Zürcher. Diese behinderten die wirtschaftliche Entwicklung Winterthurs, und wachten eifersüchtig darüber, dass ihnen durch die Nachbarstadt keine Konkurrenz erwuchs. So wurde der Stadt Winterthur zum Schutz des eigenen Zunft-wesens nicht nur die Bildung von Zünften verboten, sondern ihr auch vorgeschrieben, welche handwerklichen Tätigkeiten ausgeübt werden dürfen, und vor allem, welche nicht.

    Untertor um 1865

    Kachelofen von Abraham Pfau

    Liechti-Uhr

    Der «Untere Bogen» um 1865. Die astronomische Uhr aus dem Jahr 1529 stammt vom Turmuhrenbauer Laurentius Liechti. Er war der Gründer der berühmten Winterthurer Uhrmacherdynastie, die sich während 12 Generationen einen Namen machte.

    Kachelofen von Abraham Pfau aus dem Jahr 1689 im Museum Lindengut. (winbib)

    Liechti-Uhr aus dem Jahr 1557. (winbib).

    Uhrmacher und Ofenbauer.
    Die Stadt Winterthur konnte sich also nur auf Gebieten entwickeln, die Zürich nicht konkurrenzierten. Zwei dieser Gebiete, auf denen es Winterthur zur Meisterschaft brachte, waren der Uhren- und der Ofenbau. Im 16. Jahrhundert begründete Laurentius Liechti, ein bedeutender Turmuhrenbauer, der in der ganzen Nordostschweiz und in Süddeutschland tätig war, die berühmte Uhrmacherdynastie Liechti, die in zwölf Generationen 19 Uhrmacher hervorbrachte und nebst Turmuhren später auch wertvolle spätgotische Zimmeruhren baute. Eine Reihe von Liechti-Uhren sind in der Uhrensammlung Kellenberger zu bewundern. Ebenfalls einen Namen machte sich Winterthur mit dem Ofenbau. Berühmt waren insbesondere die Kachelöfen der Familie Pfau mit den meisterhaften Fayence-Kacheln. Die Familie betrieb gleich mehrere Hafnereien und war für die ganze Schweiz tätig. In der Stadt waren daneben aber auch noch andere Hafnereien tätig, die sich alle mitten in der dicht besiedelten Altstadt befanden und eine erhebliche Brandgefahr für die umliegenden Häuser darstellen. Erst 1784 erliess die Obrigkeit eine Verordnung, die den Bau von neuen Brennöfen innerhalb der Stadtmauern nur noch in Ausnahmefällen erlaubte. Einige der prunkvollen Winterthurer Öfen können im Museum Lindengut, im Schloss Wülflingen, im Rathaus oder in der Mörsburg besichtigt werden.



    Kyburg

    Revolution

    Laboratorium

    Ab Mitte des 12. Jahrhunderts hatten die Grafen von Kyburg das Sagen in der Stadt. Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert,

    Revolutionswirren betrafen im Kriegsjahr 1799 auch Winterthur, indem die Franzosen in die Stadt einmarschierten.

    Das 1778 gegründete Laboratorium war die erste chemische Fabrik der Schweiz. (winbib)

    Erfindergeist.
    Die von den Zürchern verfügte Einschränkung erlaubter Tätigkeiten beflügelte auch den Erfindergeist in der Stadt: Man setzte auf neueste technische Entwicklungen, zum Beispiel auf eine Wattefabrik (1748), auf den Indiennedruck (1774) oder eine Messinggiesserei (1775), die von Salomon Sulzer betrieben wurde und die Urzelle des späteren Sulzer-Konzerns war. 1778 wurde das «Laboratorium» errichtet, die erste chemische Fabrik der Schweiz. Gegründet wurde sie von den drei ebenso ein-flussreichen wie innovativen Persönlichkeiten Johann Sebastian von Clais, Hans Jakob Sulzer und Heinrich Ziegler. Die drei Herren, Industrielle und Forscher, waren 1803 auch die Gründer der ersten mechanischen Spinnereifabrik der Schweiz in der Hard. Eine andere Nische, mit der die Winterthurer die Restriktionen der Zürcher umgingen, war der Baumwollhandel.

    Revolution.
    Mit der Französischen Revolution von 1798 und dem damit verbundenen Einmarsch der Franzosen in die Schweiz, wurden die Untertanenverhältnisse abgeschafft. Das brachte Winterthur zwar die wirtschaftliche Freiheit, politisch aber blieb die Vorherrschaft von Zürich bestehen: Von den 212 Sitzen im Grossen Rat standen der Stadt Zürich 130 zu, Winterthur aber nur gerade fünf, was weder der wirtschaftlichen Stärke noch der Bevölkerungszahl der Stadt entsprach. Dieses Missverhältnis änderte sich erst 1830 mit dem Ustertag, als sich die Landschaft erfolgreich gegen die Bevormundung durch die Stadt erhob. Zu den Teilnehmern am Ustertag gehörten auch die Gründer des «Landboten», die sich als Kämpfer für die Rechtsgleichheit zwischen der Landschaft und der Stadt Zürich verstanden. Später dann wurde die Zeitung zum Kampfblatt der in Winterthur gegründeten Demokratischen Bewegung.

    Stadtmodell Winterthur

    Spinnerei

    Schmidtor um 1830

    Rieter-Arbeiterquartier

    Firma Rieter

    Das zwischen 1810 und 1818 entstandene Winterthurer «Relief» von Johann Georg Forrer ist eines der ältesten Stadtmodell der Schweiz. Der Tuchhändler hatte das Modell im Massstab 1:280 in seiner Freizeit gebastelt. Das Modell kann im Museum Lindengut bewundert werden. (winbib)

    Bild oben:Die älteste mechanische Spinnerei der Schweiz in der Hard um 1820.
    Bild unten: Die Stadthaussstrasse mit dem Schmidtor um 1830. (winbib)

    Bild oben: Rieter-Arbeiterquartier in Töss um 1875. (winbib)
    Bild unten: Die Anfänge der Firma Rieter in Töss um 1866. (winbib)

    Nieder mit den Befestigungen!
    Während sich die Stadt Winterthur bis 1830 nur in bescheidenem Mass innerhalb der befestigten Grenzen entwickelte - ausserhalb der Stadtmauern zu wohnen war verboten - brachte die Unabhängigkeit einen wirtschaftlichen Aufschwung, der sich nicht mehr mit der engen Befriedung der Stadt vertrug. Die Stadtgräben wurden zugeschüttet, die Befestigungen und Stadttore geschleift. Stattdessen entstanden alleengesäumte Strassen und Boulevards. Die Schleifung der letzten beiden Stadttore am Ober- und am Untertor im Jahr 1871 erbitterte den damaligen Stadtbaumeister Karl Wilhelm Bareiss dermassen, dass er demissionierte.

    Weltfirmen.
    1803 nahm die Spinnerei Hard in Wülflingen als erste mechanische Spinnerei der Schweiz ihren Betrieb auf. 1824 gründete Heinrich Rieter die Rieter-Spinnerei Niedertöss, gliederte ihr eine mechanische Werkstätte an und lieferte schon bald Spinnereimaschinen ins Ausland. 1834 legten die Gebrüder Sulzer mit ihrer Giesserei an der Zürcherstrasse den Grundstein für den Sulzer-Konzern, 1852 wurde das Handelshaus Volkart Brothers gegründet und 1870 die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik. Sie alle entwickelten sich zu Weltfirmen. Sulzer beschäftigte 1870 bereits 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Rieter deren 1000.

    Sulzer-Town.
    Die Fabrikanlagen von Sulzer an der Zürcherstrasse belegten bald ein Gebiet, das so gross war wie die gesamte Winterthurer Altstadt. Später expandierte das weltweit tätige Unternehmen auch noch nach Oberwinterthur, wo man zusätzlich eine Fläche von 600 000 m2 belegte. Die Firma Rieter als zweites dominantes Industrieunternehmen in der Stadt entwickelte sich in Töss. Zwischen 1870 und 1920 steigerte die Maschinenindustrie ihren Anteil an der Wirtschaft der Stadt von 11 auf 33 Prozent. In den 1960er-Jahren beschäftigte Sulzer 13 700 Mitarbeitende, Rieter 3350. Die Übermacht von Sulzer brachte Winterthur in jener Zeit den Übernamen «Sulzer-Town» ein. Nach einem dramatischen Einbruch in den 1970er- und 1980er-Jahren arbeiten bei Sulzer in Winterthur heute gerade noch rund 700 Leute. Rieter beschäftigte Ende 2010 rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Winterthur. Im Frühling 2011 wurden die beiden Hauptbereiche des Konzerns, die Textilmaschinen und die Autozulieferung in zwei je eigenständige Firmen aufgeteilt.

    Ein Bahnhof, eine Bank, ein Stadthaus.
    Die Prosperität führte zu einem raschen Wachstum der Stadt mit entsprechenden Anforderungen an die Infrastruktur. Es brauchte Schulen, Strassen, Wohnungen. Zu den Erfordernissen der Zeit gehörten aber auch der Bau eines Bahnhofes (1860), oder die Gründung einer Bank. 1862 wurde die «Bank in Winterthur» eröffnet. Welche Bedeutung sie dereinst haben würde, ahnte damals noch niemand: 1912 wurde aus ihr die Schweizerische Bankgesellschaft, 1997 die UBS. Der Bedeutung Winterthurs verlieh auch das 1870 erbaute, monumentale Stadthaus Ausdruck, dessen Architektur an einen griechischen Tempel gemahnt. 1875 schliesslich wurde in Winterthur die Schweizerische Unfallversicherungsgesellschaft gegründet, die spätere «Winterthur» Versicherung und heutige Axa Winterthur.

    Jonas Furrer

    Dreherei der Gebr. Sulzer

    Sulzer-Werkstätten

    Wahl von Jonas Furrer zum Bundespräsidenten um 1848.

    Die Dreherei der Gebr. Sulzer im Jahr 1889. (winbib)

    Werkhalle mit Ventildampfmaschinen der Gebr. Sulzer um 1918.

    Stadthaus Winterthur

    Sulzer-Werkstätten

    Nationalbahn

    Der Bau des repräsentativen Stadthauses war Ausdruck des Selbstbewusstseins von Winterthur.

    Die Sulzer-Werkstätten an der Zürcherstrasse um 1862.

    Das Unternehmen Nationalbahn war ein Debakel für die Stadt und endete mit einem Schuldenberg.

    Der erste Bundespräsident - ein Winterthurer.
    Nach der Gründung des Bundesstaates im Jahre 1848 wurde der Winterthurer Jonas Furrer (1805-1861) zum Bundesrat und ersten Bundespräsidenten gewählt. Er hatte nach dem Sonderbundkrieg, bei dem der schweizerische Staatenbund auseinander gebrochen war, entscheidend an der Ausarbeitung einer neuen Bundesverfassung mitgearbeitet. Ungewöhnlich war, dass er es in den Bundesrat schaffte, obwohl er nicht einer einflussreichen Familie angehörte. Sein Vater betrieb eine Schlosserei. Jonas Furrer, der als einer der bedeutendsten Politiker in der Anfangszeit des Schweizer Bundesstaates gilt, blieb 13 Jahre lang Bundesrat und starb im Alter von 56 Jahren.

    Guter Boden für Bundesräte.
    Nach Jonas Furrer stellte Winterthur noch vier weitere Bundesräte. Keine andere Schweizer Gemeinde hat so viele Bundesräte hervorgebracht. 1872-1878 gehörte Stadt- und Regierungsrat Johann Jacob Scherer dem Bundesrat an, 1903-1917 der Jurist und Nationalrat Ludwig Forrer, 1939-1943 der Sekundarlehrer und Ökonom Ernst Wetter und 1983-1984 der Jurist und Anwalt Rudolf Friedrich.

    Abbruch Obertor

    Tram

    Hauptpost und Restaurant National

    Der Abbruch des Obertors im Jahr 1864.

    Verlegung der Schienen für das Tram in Töss um 1898. (winbib)

    Hauptpost und Restaurant National mit Kutschen und Passanten um 1906. (winbib)

    Demokratische Hochburg.
    Die wirtschaftliche Vormachtstellung der Stadt Zürich, die sich in Winterthur mit tief sitzenden Ressentiments gegen die ehemalige Zürcher Obrigkeit verband, machte die Winterthurer zu den wichtigsten Wortführern der Demokratischen Bewegung. Dieser gelang es 1869 wesentliche Volksrechte durchzusetzen und die Dominanz der Hauptstadt Zürich zu brechen. Das Feindbild Nummer 1 der Demokraten war Alfred Escher, der die wirtschaftliche Macht der Stadt symbolisierte. Ganz generell aber sprach man despektierlich von den «Zürcher Geldsäcken».

    Das Nationalbahn-Desaster.
    Ressentiments gegenüber der Stadt Zürich prägten auch die Eisenbahnpläne der Stadt Winterthur. Im Bestreben, Winterthur zur neuen demokratischen Metropole zu machen und Zürich die Führungsrolle zu entziehen, setzte sich der damalige demokratische Stadtpräsident Johann Jakob Sulzer in den Kopf, Alfred Eschers private «Herren-bahn» (Nordostbahn) mit einer Volksbahn zu konkurrenzieren. Diese sollte unter Umgehung der Stadt Zürich vom Boden- bis zum Genfersee führen und von Gemeinden, Kantonen und Aktionären finanziert werden. Das Bauvorhaben, das von Alfred Escher nach Kräften torpediert wurde, stürzte die Stadt in ein Desaster. Nach fünfjähriger Bauzeit war das Unternehmen Nationalbahn 1878 bankrott. Der Stadt Winterthur blieb ein Schuldenberg, der erst im Jahr 1950, also nach über 70 Jahren, abgetragen war.

    Vorbildlicher Siedlungsbau.
    Um das enorme Bevölkerungswachstum zu bewältigen, das der industrielle Aufschwung der Stadt brachte, musste genügend Wohnraum erstellt werden. Zwischen 1836 und 1880 stieg die Bevölkerungszahl um mehr als das Doppelte und 1850 - Winterthur zählte zu jener Zeit knapp 14 000 Einwohnerinnen und Einwohner - kam es zu einer grossen Wohnungsnot. Ihr begegnete die Stadt nicht mit Mietskasernen, sondern mit individuelleren Wohnformen. Den Massstab setzte der Industrielle Heinrich Rieter, der im Umfeld seiner Fabrik in Niedertöss kleine Doppel-Einfamilienhäuser mit etwas Pflanzland bauen liess, in der Überzeugung, so auf motiviertere, zufriedenere und damit auch treuere Mitarbeiter zählen zu können. Der Garten ermöglichte den Arbeiterinnen und Arbeitern ein gewisses Mass an Selbstversorgung und entlastete das knappe Familienbudget. Die Löhne waren zu jener Zeit sehr tief: Für einen 14-Stunden-Arbeitstag wurden zwischen 52 Rappen und 2.34 Franken bezahlt und die Leute ernährten sich primär von Kartoffeln (3 bis 4 Rp. pro kg), Weissbrot (30 Rp. pro kg) und Kaffee. Das Beispiel der ersten Arbeitersiedlung von Rieter machte Schule: Andere Unternehmer folgten dem Beispiel, es wurden Wohnbaugenossenschaften gegründet und die Stadtbehörden förderten den sozialen Wohnungsbau mit tiefen Preisen und Land im Baurecht. Die damals aber auch später gebauten Wohnsiedlungen prägen die Stadt bis heute.

    Wohnungsnot

    Oskar Reinhart

    Zindelhörner

    Die rasche Industrialisierung und der damit verbundene Zuzug von Arbeitskräften führte in Winterthur zu einer Wohnungsnot: Notunterkunft im Schulhaus am Kirchplatz (heute Gewerbemuseum) in den 1920er-Jahren.

    Der Kunstsammler und Mäzen Oskar Reinhart bei der Hängung seiner Meisterwerke.

    Die gegen Ende der 1960er-Jahren erstellten Zindelhörner, die ihren Übernamen dem damaligen Bauamtvorsteher Heinrich Zindel zu verdanken haben und als vorbildlich galten.

    Arbeitsam - inklusive Kinderarbeit.
    Mit der zunehmenden Dominanz der Industrie wurde Winterthur zur klassischen Arbeiterstadt. Zwar gab es da die Patrons in ihren Villen im Grüngürtel rund um die Altstadt und später auch am Rychenberg, das Stadtbild wurde aber von den Menschen beherrscht, die in den Fabriken arbeiteten; Männer, Frauen - und Kinder. Als 1858 der Erziehungsrat die Arbeitszeit für Kinder auf 12 Stunden beschränken wollte, meinte die Schulpflege der Gemeinde Töss: «Hier geht man in der That zu weit. Schon seit vielen Jahren haben unsere Kinder in den hiesigen Fabriken täglich 14 Stunden gearbeitet und sind dennoch nicht bloss gesund geblieben, sondern gross und stark geworden...» Erst 1859 wurde schliesslich die tägliche Arbeitszeit für Kinder auf 13 Stunden herabgesetzt. Und bis zu einer durchgreifenden Verbesserung dauerte es nochmals fast 20 Jahre. 1877 legte das Eidgenössische Fabrikgesetz u.a. fest, dass Kinder, welche das 14. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, nicht zur Arbeit in Fabriken «verwendet» werden dürfen.

    Der Kultur verpflichtet.
    Die wichtigen und einflussreichen Familien der Stadt prägten und formten schon früh das kulturelle Leben Winterthurs. Bereits 1629 wurde das Musikkollegium Winterthur gegründet, das immer über ausgezeichnete Beziehungen zur Obrigkeit verfügte, über die Jahrhunderte mit Laien und Profis musizierte und 1875 das Winterthurer Berufsorchester ins Leben rief - zu dem als Winterthurer Spezialität bis heute die Freikonzerte gehören, zu denen der Zutritt gratis ist. 1660 entstand die erste Winterthurer Bürgerbibliothek, die allerdings damals nur eine kleine privilegierte Bürgerschicht erreichte. Heute sind die Winterthurer Bibliotheken eine hoch frequentierte, unentbehrliche Einrichtung für die ganze Bevölkerung. 1848 erfolgte die Gründung des Kunstvereins, der sich seither, nebst dem Galerieverein, für das Wohl und Gedeihen der Kunst einsetzt.

    Die Stadtvereinigung von 1922.
    Die stürmische industrielle Entwicklung des 19. Jahrhunderts und der damit verbundene Bevölkerungszuwachs machte den Vororten der Stadt Winterthur zunehmend zu schaffen. Die infrastrukturellen Aufgaben überforderten die ehemaligen Bauerndörfer und sie bemühten sich deshalb um eine Eingemeindung. 1922 wurde die Stadtvereinigung vollzogen. Zu Winterthur gehörten nun auch Veltheim, Töss, Wülflingen, Oberwinterthur und Seen. Die Grundfläche der Stadt verfünffachte sich auf einen Schlag und die Stadt zählte jetzt 50 000 Einwohnerinnen und Einwohner, also knapp halb so viele wie heute.

    Krisenjahre.
    Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre hatte schlimme Auswirkungen auf die Stadt Winterthur mit ihrer einseitigen Fokussierung auf die exportabhängige Metall- und Maschinenindustrie (Sulzer, Rieter, SLM). Mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Stadt hatten damals ihren Arbeitsplatz im Sekundärsektor. Im Jahr 1934 waren gegen 25 Prozent der Berufstätigen ganz oder teilweise arbeitslos. In der Metall- und Maschinenindustrie sowie im Baugewerbe war der Prozentsatz noch höher. Die Stadt richtete in der Hard als schweizerisches Pionierprojekt ein Arbeitslager für beschäftigungslose jugendliche Metallarbeiter ein mit dem Ziel, diese weiterzubilden und wieder an die Privatwirtschaft zu vermitteln. Heute ist die Schweizerische Technische Fachschule Hard ein modernes Aus- und Weiterbildungszentrum.

    Bauboom und Rückbesinnung.
    Die Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg brachte auch Winterthur einen gewaltigen Bauboom. Das Betonzeitalter hinterliess seine Spuren. In der Ebene entstanden gross dimensionierte Wohn-Überbauungen, die Hänge wurden mit Einfamilienhäusern überzogen. Selbst die geschützten Dorfkerne überstanden den Boom nicht unbeschädigt. In der Altstadt ging zwischen 1950 und 1980 viel wertvolle alte Bausubstanz verloren: über 200 Altstadthäuser wurden abgebrochen oder ausgehöhlt. Die Bevölkerungszahl stieg von 70 000 auf 91 000, verbunden mit einer explosionsartigen Zunahme der Motorisierung. Zwischen 1946 und 1965 verzehnfachte sich die Zahl der Motofahrzeuge und das Strassennetz musste laufend ausgebaut werden. Die Rezession in den 1970er-Jahren brachte eine Rückbesinnung. Der Umweltschutzgedanke stellte sich dem reinen Renditedenken entgegen und die Nachhaltigkeit wurde zu einem wichtigen neuen Wertebegriff.

    Von der Industrie- zur Technologiestadt.
    In den 1980er-Jahren erlebte Winterthur einen beispiellosen Einbruch der Maschinenindustrie. Tausende von Arbeitsplätzen verschwanden und die Produktionsstätten von Sulzer an der Zürcherstrasse und in Oberwinterthur wurden zu Geisterstädten. Nach den bleiernen Jahren rappelte sich Winterthur nach der Jahrtausendwende wieder auf. Mit einer neuen diversifizierteren Wirtschaftsstruktur wurde erfolgreich der Wandel vom Industrie- zum Technologiestandort mit hoher Wertschöpfung eingeleitet. Schwung in die Stadt brachte auch der Zuzug der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit unterdessen rund 7000 Studierenden, Tendenz steigend. Winterthur boomt ausserdem als Wohnstadt und muss sich einmal mehr Gedanken machen um Nachhaltigkeit und Grenzen des Wachstums.

    Frauenstadtrundgang

    Frauenstadtrundgänge
    In der offiziellen Geschichtsschreibung kommen Frauen meist nur am Rande vor. Bei den Frauenstadtrundgängen werden sie ins Zentrum gerückt. Von szenischen Rollenspielen begleitet, wird da etwa von den Sittlichkeitsvorstellungen im Winterthur des 15. und 16. Jahrhunderts erzählt («Ehrbare Frauen - fehlbare Töchter») oder von den Ess- und Trinkgewohnheiten vergangener Jahrhunderte («Safran, Schmalz und Suppenwunder»). Weitere Frauenstadtrundgänge befassen sich mit den Themen «Frauenbadstund und grossi Wösch,» «Hebammen Schwöschter, Jumpfer Tokter» oder «Vom Chindsgi zum Altersheim». Die beiden jüngsten Rundgänge befassen sich mit der Welt der Kunst und Museen um die Jahrhundertwende («Von der Muse geküsst!») und in einem weiteren Rundgang steigt Vitodura, die Winterthurer Göttin der Gerechtigkeit und Schutzherrin der Stadt vom Dach des Stadthauses herunter und packt aus.

    Verein Winterthurer FrauenStadtRundgangWinterthur
    →  www.frauenrundgang.ch

    Vorverkauf Winterthur Tourismus
    →  www.winterthur-tourismus.ch

    Das von der Edition Winterthur 2006 herausgegebene Buch «Frauenblicke» über die Stadtrundgänge ist vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.

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    ©  Edition Winterthur     25.03.2023